Isteiner Klotz und Totengrien
Ganz im Süden des Dienstgebietes der Bergwacht Schwarzwald, am Rand des Markgräfler Hügellandes hin zur Rheinebene liegen zwei faszinierende Biotope, deren einzigartige Flora und Fauna dazu geführt haben, dass sie zu Naturschutzgebieten erklärt wurden. Das Naturschutzgebiet Isteiner Klotz wurde 1986 und das Totengrien, welches lokal auch als Orchideenwiese bezeichnet wird, wurde bereits 1973 als Naturschutzgebiet ausgewiesen.
Um zu verstehen, weshalb die beiden Biotope jeweils auf Ihre Art einzigartig sind, müssen wir zum Teil weit in ihre Entstehungsgeschichte zurück gehen. Bei der Orchideenwiese bedeutet dies einen Zeitsprung von «nur» wenigen tausend Jahren, wobei es sich beim Isteiner Klotz um eine Entwicklung von vielen Millionen von Jahren bis zurück ins Erdmittelalter (Mesozoikum) handelt.
Die beiden augenscheinlichsten und markantesten Charakteristika des 25 ha grossen Naturschutzgebietes «Isteiner Klotz» sind sicherlich seine exponierte Lage als Sporn, der weit in die Rheinebene hinausragt und die senkrechte Steilwand aus hellem Kalkstein. Der Kalkstein entstand vor ca. 160 Mio. Jahren im Randbereich des sogenannten «Jurameers» als Korallenriff. Dieses sehr durchlässige Gestein sorgt dafür, dass fallender Niederschlag sehr rasch nach unten abgeleitet wird und nicht im Untergrund pflanzenverfügbar gespeichert wird. Deshalb sind die Bedingungen für das Pflanzenwachstum auf seiner Oberfläche von grossem Wasserstress geprägt, der durch die heissen Sommer in der Rheinebene noch verstärkt wird. Seine freistehende, herausragende Form als Felssporn und die senkrechten Steilwände verdankt er einerseits dem Einbrechen und Absinken des Oberrheingrabens und andererseits der abtragenden Wirkung des Rheinwassers.
Die Spuren der erosiven, unterhöhlenden Wirkung des Rheins auf den Isteiner Klotz sind noch heute unterhalb der St. Veitskapelle an der glatt polierten Steilwand sehr gut erkennbar. Die jüngsten Ereignisse, welche das Erscheinungsbild des Isteiner Klotzes z.T. stark beeinflussten, waren menschlich begründet. Während und nach dem 1. und 2. Weltkrieg wurden auf und im Klotzen zahlreiche Befestigungsanlagen gebaut, welche in der Nachkriegszeit wieder Rückgebaut und gesprengt wurden. Weiterhin wurde durch die Gewinnung von Kalkstein als Baumaterial in einem Steinbruch auf der Westseite des Isteiner Klotzes grosse Flächen des Trockenrasens zerstört, bis er schliesslich unter Naturschutz gestellt wurde.
Seltene Tier- und Pflanzenarten
Aufgrund der besonderen klimatischen Situation im Oberrheingraben im Zusammenhang mit der hygrischen Situation auf dem Isteiner Klotz, also der geringen Wasserverfügbarkeit, entwickelte sich auf seiner Oberfläche ein Refugium für seltene Tier- und Pflanzenarten, die eigentlich im mediterranen Raum beheimatet sind. Neben Trockenrasen Pflanzengesellschaften, z.B. der Bleichschwingel-Felsflur oder dem Trespen-Trockenrasen, lassen sich hier auch zahlreiche Wald- und Gebüschgesellschaften unterscheiden, die ebenfalls warmzeitliche Relikte in dieser Region darstellen. Beispiele hierfür sind Flaumeichenwald, Weißeggen-Eichen-Lindenwald und der seltene Weißeggen-Buchenwald. Zur ortsspezifischen bzw. reliktischen Fauna gehören neben gefährdeten Augenfaltern (z.B. Blaukernauge, Samtbinde) auch die Gottesanbeterin, die Blauflügelige Ödlandschrecke, Libellen und verschiedene Bienenarten.
Das Naturschutzgebiet Totengrien
Die Entwicklungsgeschichte des Totengrien ist deutlich kürzer und auf den Zeitraum nach der letzten Eiszeit vor ca. 10.000 Jahren beschränkt. Mit dem Abschmelzen der Gletscher in den Alpen, dem Schwarzwald und den Vogesen veränderte sich das Abflussverhalten des Rheins so stark, dass wir uns die Landschaft in der Oberrheinebene in etwa so vorstellen können, wie sie heute nur noch in den Gletschervorfeldern im Gebirge vorzufinden ist. Der Rhein floss nicht als einzelner Flusslauf durch die Ebene, sondern die gesamte Ebene von 40 km Breite war von verzweigten Flussläufen bedeckt, zwischen denen sich Sandbänke und kleinere Inseln befanden. Nach jedem Hochwasserereignis sah die Landschaft wieder anders aus, da Sandbänke weggespült waren, neue Tiefenrinnen entstanden und sich der Abfluss neue Wege gesucht hatte. Einer der Seitenarme des Rheins floss früher direkt am Isteiner Klotz, ungefähr auf Höhe des heutigen Dorfbaches dem Hodbach, und unterhöhlte dessen Felsensporn.
Das Naturschutzgebiet Totengrien umfasst heute einen kleinen, etwa 2,6 ha grossen Bereich dieser ehemaligen Flusslandschaft, welche durch die Rheinkorrektur durch Tulla und die Verwirklichung des Canal D’Alsace starke Überformung erfuhr. Das Totengrien, auf einer ehemaligen Schotterinsel des Rheins, was sich aus dem Namensteil «-grien» herauslesen lässt, was so viel heisst wie Kies- und Sandbank mit Buschbewuchs. Der Namensbestandteil «Toten» ist begründet darin, dass auf dieser Insel früher Tote bestattet wurden, die vom Rhein angeschwemmt worden waren.
Magerwiesen mit vielen Orchideenarten
Der kiesige Untergrund mit nur einer sehr dünnen aufliegenden Feinerde- und Humusschicht und die Lage über dem Grundwasserspiegel führen dazu, dass die Vegetation, wie am Isteiner Klotz, saisonaler Trockenheit und Hitze ausgesetzt sind. Der Wandel von feuchter Auenlandschaft hin zu einer Trockenaue erfolgte v.a. auch durch die Tieferlegung des Grundwasserspiegels als Folge der Rheinkorrektur. Diese ökologischen Bedingungen führten dazu, dass sich auf diesen Magerstandorten (Halbtrockenrasen) vor allem wärmeliebende und trockenheitsresistente Pflanzenarten, wie bspw. Orchideen ansiedelten, welche dieses Naturschutzgebiet international bekannt gemacht haben. Zur Blütezeit der Magerwiese von Mitte April bis Anfang September kommen Besucher aus ganz Deutschland und dem nahen Ausland um sich diese seltenen Pflanzen, welche hier in hoher Dichte auf kleinem Raum vorkommen, anzuschauen. Beispiele dieser Arten sind u.a. die Spinnenragwurz (Orphrys sphegodes), Hummelragwurz (Orphrys holosericea), Helmknabenkraut (Orchis militaris), Brandknabenkraut (Orchis ustulata), Bienenragwurz (Orphrys apifera), Pyramidenorchis (Anacamptis pyramidalis), Mückenhändelwurz (Gymnadenia conopsea), Rispen Flockenblume (Centaurea stoebe) und Esels Wolfsmilch (Euphorbia esula).
Damit die Pflanzen nicht durch Besucher zertrampelt oder ausgerissen werden führen die Mitglieder der Ortsgruppe Istein im Frühjahr und Sommer regelmässig Naturschutzstreifen in den beiden Naturschutzgebieten durch. Neben der Bedrohung durch den Menschen gibt es allerdings auch noch das Problem der Verdrängung durch die natürliche Verbuschung und das Wachstum von stickstoffsammelnden Pflanzen. Deshalb wird die Orchideenwiese jedes Jahr im Spätsommer/Herbst durch die Bergwacht Istein, im Auftrag der Bezirksstelle für Naturschutz und Landschaftspflege Freiburg, gemäht und das Gehölz zurückschnitten. Das Maatgut wird komplett abgefahren, damit der Nährstoffeintrag in den Boden möglichst gering und damit die Konkurrenzfähigkeit der Orchideen erhalten bleibt. Die Säuberung des Fusses des Isteiner Klotzes, einzelner Felsriegel am Klotzen und auch die Freihaltung der Felsen und Aussichtspunkte von Wildwuchs und Unkraut geschieht rein ehrenamtlich im Rahmen der Leitlinien der Bergwacht zum Schutz und zur Wahrung der Natur.
Text: Wolfgang Fister, Fotos: Bergwacht Schwarzwald e.V.